Die Prussia-Sammlung im Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin

Ekritten

Der ferne Glanz: Tauschierarbeiten in der Prussia-Sammlung

Die Prussia-Sammlung im MVF enthält nur wenige Fundstücke, an denen sich die sog. Verzierungstechnik der Tauschierung beobachten lässt. Darunter versteht man die Fertigkeit, in metallene Oberflächen (meist Eisen) Ornamente als Vertiefungen einzuarbeiten und in diese Vertiefungen Einlagen aus Bunt- oder Edelmetall einzubringen. Der Kontrast zwischen dunklerem Trägermaterial und helleren Einlagen - etwa aus Silber - bewirkt so eine reizvolle Oberflächengestaltung und verleiht den Objekten einen besonderen Glanz.


(Wiskiauten, Kr. Fischhausen)

Während des Frühmittelalters war diese Verzierungstechnik sowohl im Baltikum als auch in Skandinavien sehr beliebt: Beispiele bilden wertvolle Waffen wie ein Schwert aus der wikingerzeitlichen Nekropole in Wiskiauten, Kr. Fischhausen und prächtiges Pferdegeschirr aus dem Friedhof des 10.-12. Jahrhundert von Trentitten, Kr. Fischhausen.




(Trentitten, Kr. Fischhausen)

Selbst scheinbar einfache Gebrauchsgegenstände wie Schlüssel wurden manchmal mit Tauschierungen verziert, wie Funde aus dem Gräberfeld des 10.-12. Jahrhunderts in Pollwitten, Kr. Fischhausen lehren.


(Pollwitten, Kr. Fischhausen)

Auch im Spätmittelalter wurde die Technik noch angewandt: ein tauschierter Gürtelbeschlag aus dem ordenszeitlichen Gräberfeld von Gerdauen zeigt die Reste einer aufwändigen Ornamentik.


(Gerdauen - Schloss, Kr. Gerdauen)

Unter dem mittelalterlichem Objektbestand der Prussia-Sammlung, die heute noch einem Fundort zugewiesen werden können, sind tauschierte Objekte allerdings insgesamt unterrepräsentiert, sowohl im Hinblick auf die bis 1945 bekannten Funde aus Ostpreußen als auch unter Berücksichtigung der baltischen Neufunde seit den 1950er Jahren. Von den zurzeit 4922 zuweisbaren mittelalterlichen Objekten lässt lediglich etwa 1 % Reste von Tauschierungen erkennen. Unter dem Schicksal der Königsberger Prussia-Sammlung im 2. Weltkrieg und in der Nachkriegszeit mit mehrfachen Evakuierungen, teilweiser Beraubung und unsachgemäßer Lagerung haben gerade die tauschierten Eisenobjekte besonders schwer gelitten. Viele der Metalleinlagen sind offenbar verloren gegangen bzw. durch die Korrosion zerstört oder unkenntlich gemacht worden.

Zwei Lanzenspitzen des 11./12. Jahrhunderts aus den samländischen Nekropolen von Dollkeim und Ekritten besaßen nach Ausweis ihrer vor 1945 veröffentlichten Abbildungen einstmals aufwändig tauschierte Tüllen, ihr heutiger Zustand lässt den Originalzustand leider nur noch erahnen.


(Dollkeim, Kr. Fischhausen, Zustand vor 1945 und heute)


(Ekritten, Kr. Fischhausen, Zustand vor 1945 und heute)

Tauschierungsreste zeigt auch ein beschädigter Steigbügel des 10. Jahrhunderts aus Pollwitten, ursprünglich trug er sicher eine flächige Streifentauschierung aus Kupfer oder Messing.


(Pollwitten, Kr. Fischhausen)

(Norbert Goßler)

Wieder gefunden: ein Helmfragment aus Ekritten

Seit Januar 2013 läuft die zweite Phase der Objekterfassung im DFG-Projekt „Das Baltikum im 9. bis 15. Jahrhundert n. Chr.“: nachdem zunächst die Bestände mit noch bekannten Fundorten aufgenommen wurden, stehen nun die zahlreichen Objekte ohne Fundortzuweisung (sog. Pr-Nummern) im Mittelpunkt der aktuellen Erfassung.
Ziel der Arbeit ist es unter anderem, den ursprünglichen Fundzusammenhang möglichst vieler Objekte wiederherzustellen. Dabei helfen z. B. Fotos oder Zeichnungen der Altfunde in der archäologischen Literatur vor 1945. Auf diese Weise gelang auch die spektakuläre Reidentifikation eines der wenigen mittelalterlichen Helmfunde im Baltikum.


(Ekritten, Kr. Fischhausen - Helmzustand 1939. La Baume, Nachrichtenbl. Dt. Vorzeit, 15, 11/12, 1939 Taf. 79).

Im samländischen Ekritten war bei Grabungen im Jahr 1939 ein reich ausgestattetes Kriegergrab des 11. Jahrhunderts aufgedeckt worden, das unter anderem mehrere silbertauschierte Lanzenspitzen, Reitzubehör und einen kegelförmigen Helm enthielt, der ursprünglich vermutlich sogar einen Helmbusch besaß. Die Helmkalotte bestand nach Wolfgang La Baume aus vier trapezförmigen, mit Bronzeblech verkleideten Eisenplatten, die an ihren Längskanten überlappend miteinander vernietet und durch ein schmales, mit Buckelchen besetztes Bronzeband verziert waren.


(Heutiger Zustand der Helmfragmente von Ekritten, Kr. Fischhausen - erhaltene Höhe: 22 cm).

Unter den zahlreichen fundortlosen Fragmenten des Berliner Prussia-Magazins fand sich nun ein trapezförmiges Bronzeblech mit ankorrodiertem Eisen, Nieten und dem Rest eines ehemals gebuckelten Saumes (im Bild oberes Fragment). Der Vergleich mit der 1940 erstellten Rekonstruktion des Helmes aus Ekritten zeigt, dass es sich um ein Segment der verloren geglaubten Helmkalotte handeln muss. Eine alternative Deutung als Fragment einer romanischen Bronzeschale ist aufgrund der Form und der anhaftenden Eisenreste unwahrscheinlich. Einige Wochen später tauchte an einer anderen Stelle der Prussia-Sammlung ein weiteres Blechstück auf (im Bild unteres Fragment), das ohne Weiteres an das erste Helmfragment anzupassen ist. Auf diese Weise lässt sich nun ein fast vollständiges Helmsegment rekonstruieren. Hier zeigt sich erneut, wie wichtig die systematische Bearbeitung der Prussia-Sammlung ist, um verloren geglaubte Objekte für die archäologische Forschung wiederzugewinnen.


(Rekonstruktion des Helms von Ekritten, Kr. Fischhausen).

Die vorliegende Helmform ist nur zweimal in Ostpreußen belegt: neben Ekritten ist vor allem ein heute verschollener Fund aus der Nekropole Groß Friedrichsberg bei Königsberg zu nennen.


(Helm aus Groß Friedrichsberg, Gaerte 1929, 339 Abb. 273)

Er zeigt einen sehr ähnlichen Aufbau und war ursprünglich sogar vergoldet. Ähnliche Helmformen sind auch aus Litauen bekannt. Die Vorbilder dieser Helme weisen in den russischen Bereich und zeugen vom großen Einfluss des Reiches der Kiewer Rus’ auf die Bewaffnung im Baltikum und bei den Westslawen.

(Norbert Goßler)